Kommunismus in der Tschechoslowakei: „Das war eine andere Welt“

haslinger_josef

© Foto: Jürgen Bauer

Am 18. Oktober fand die Lesung von Schriftsteller Josef Haslinger in der Mährischen Landesbibliothek in Brünn statt – er stellte dem tschechischen Publikum sein neues Buch Jáchymov vor. Die Lesung wurde von Dr. Thomas Krzenck, einem Bohemisten und Historiker aus Leipzig moderiert.

Thomas Krzenck stellte dem Autor verschiedene Fragen über sein Buch Jáchymov. Warum nannte Josef Haslinger das Buch gerade Jáchymov? „Jáchymov sagt den deutschsprachigen Lesern nichts,“ sagte Haslinger. Daher erklärte der Autor auch, dass die Auswahl des Titels ein Problem war. Der Verlag wollte einen anderen Titel, mit dem das Buch besser verkauft werden könnte. Aber Haslinger konnte sich durchsetzen und entschied sich dafür, das Buch mit dem Originaltitel „Jáchymov“ herauszugeben.

Heute ist Jáchymov als tschechischer Kurort bekannt – damals diente dieser Ort als Gefängnis, als kommunistisches Lager, wo die Häftlinge Uranerz abbauen mussten. Diese Parallele benutzt Josef Haslinger in seinem Roman.

Ein kranker Verleger und die Tänzerin treffen sich in dem berühmten Kurort Jáchymov – er kuriert dort seinen Bewegungsapparat, sie findet Ausgleich in der Vergangenheit und erzählt dem Verleger die Geschichte von ihrem Vater, Bohumil Modrý, der in diesem „Kurort“ unter radioaktiver Strahlung Zwangsarbeit leisten musste.

Josef Haslinger traf Blanka Modrá zum ersten Mal, als er eine Tänzerin mit einem tschechischen oder slowakischen Akzent für sein Theaterstück suchte. Damals wusste er gar nichts von Jáchymov.

josef-haslinger-jachymov

Cover der deutschen Ausgabe

Der Autor las einige Ausschnitte aus dem Buch, die sehr bewegend waren – die Erinnerungen von Blanka Modrá an den Tod ihres Vaters, der früh kam. Der Autor erzählte auch vom historischen Hintergrund dieser Verhaftung. Alles hatte begonnen, als die Mannschaft in der Schweiz gewesen war. Dort war öffentlich über die Möglichkeit der Emigration und die Gründung einer Exil-Mannschaft diskutiert worden. Die Spieler hatten sich entschieden, nicht zu emigrieren. Im Jahr 1950 sollten sie nach London fliegen, um den Weltmeistertitel aus Stockholm zu verteidigen. Aber anstatt zu fliegen, wurden sie verhaftet und wegen Verschwörung gegen den Staat verurteilt. Nach fünf Jahren wurde die Mannschaft von Präsident Zápotocký amnestiert. Bohumil Modrý aber starb schon 1963, als er 37 Jahre alt war.

Der Autor des Romans fühlte sich bei seinen Recherchen als wäre er in einer anderen Welt. Damals hatte man keine Ahnung, was in der Tschechoslowakei geschieht.

Josef Haslinger wurde am 5. Juli 1955 in Zwettl geboren und ist einer der berühmtesten österreichischen Schriftsteller. Er studierte Philosophie, Theaterwissenschaft und Germanistik in Wien. 1980 promovierte er über Die Ästhetik des Novalis.

Josef Haslinger ist Autor vieler Bücher, die aber nicht in der tschechischen Ausgabe zu lesen sind. Das Buch Jáchymov, das im vergangenen Jahr im deutschsprachigen Raum publiziert wurde, ist jetzt auch in tschechischen Buchhandlungen in der Übersetzung von Libuše Čižmárová erhältlich.

Dieser Beitrag wurde unter Berichte, Leben in Brünn, Literatur abgelegt und mit , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Hinterlasse einen Kommentar