Ein wahres oder ein generiertes Problem?

„Na Slovensku po slovensky!“ oder „Miénk lesz a Felvidék!“ sind Ausdrücke, die in der Slowakei, zwischen Slowaken und Ungarn unterschiedliche Emotionen hervorrufen können, sie enthalten vieldeutige Inhalte und verbergen eine gewisse nationalistische Haltung. Wenn jemand sich in der slowakischen Politik gut auskennt, ist einem das Thema der slowakisch-ungarischen Beziehung nicht fremd. Zur unangenehmen Atmosphäre tragen auch die Politiker  bei, und nutzen die Situation für das Steigern ihrer Popularität aus.

Die Konflikte zwischen zwei ethnischen Gruppen innerhalb eines Staates sind leider in mehreren Ländern Europas typisch. Die Slowakei, ein kleiner, junger Staat im Herzen Europas, mit einer halben Millionen Ungarn hat schon jahrelang immer etwas Neues zu sagen einen bestimmten Zusammenhang betreffend. Wenn nichts anderes, dann können zumindest die slowakisch-ungarischen Beziehungen –in negativer Hinsicht- hervorgehoben werden. Es ist bedauerlich.

„Über die Ursachen einer schlechten Ehe existiert eine ewige Wahrheit, und zwar, dass immer die dritte Seite schuldig ist“, so formulierte Péter Hunčík[1] seine Aussage, ein ungarischer Psychologe und Schriftsteller aus der Slowakei, der sich in seinen Publikationen mit dem Zusammenleben und den Konflikten der Slowaken und Ungarn in der Slowakei beschäftigt. „Dieses alte Bonmot“, fuhr er fort „fällt mir ein, wenn mich jemand fragt, wer für die schlechten slowakisch-ungarischen Beziehungen verantwortlich ist. Wenn die ungarische Minderheit in der Slowakei nicht existieren würde, hätten die Slowakei und Ungarn so viele Probleme miteinander, wie mit Österreich.“ Die ungarische Minderheit lebt an der slowakisch-ungarischen Grenze. Es ist selbstverständlich, dass die ungarische Minderheit ihre ungarische Kultur, die Kultur und Geschichte ihrer Heimat schätzt, aber ich kann auch als slowakische Ungarin feststellen, dass jeder Ungar eine besondere Beziehung zur Slowakei spürt. Einerseits spielt die Slowakei als Geburts-, und Wohnort in der Entwicklung und Entfaltung der Identität eines Ungarn eine besonders wichtige Rolle. Anderseits hat man wegen der Muttersprache, wegen des ungarischen Landes, wegen der Kultur, Tradition, Geschichte und Literatur eine starke, innere Zuneigung zu Ungarn.  

Aber kehren wir wieder zu Hunčíks Text zurück, der die Gründe einer stabilen, friedlichen Beziehung wohlüberlegt und meisterhaft zusammenfasste. „Die Slowaken sollen sich bewusst werden, dass das Gebiet der heutigen Slowakei zum ungarischen Königreich gehörte, also haben sie teilweise eine gemeinsame Geschichte. Weiter ist es nötig zur Kenntnis zu nehmen, dass in einigen Regionen der Slowakei solche Menschen leben, die politisch hierher gehören, aber ihre Muttersprache und Kultur ist ungarisch, und dank der Gesetze sind sie Bürger des slowakischen Staates, wie die Slowaken. Über Ungarn sagte er: „Ungarn soll sich bewusst sein, dass die nördlichen Gebiete, die damals zu Ungarn gehörten, nicht mehr zu Ungern gehören und heute Slowakische Republik sind. Die Slowakei ist gleichwertiger Nachbarstaat und nicht untergeordneter.“ Weiter hebt er hervor, was die wichtigste Sache ist: „Ungarn soll die slowakischen Ungarn im Erhalten und Pflegen der Muttersprache, der Kultur unterstützen und sich gleichzeitig darum kümmern, dass sie loyale und gleichberechtigte Bürger der Slowakei bleiben.“ Die positive Analogie kann eine Herausforderung für die Betroffenen sein.

Die Politik

Was die größeren Änderungen betrifft, lohnt es sich die letzte Wahl zur Regierung zu erwähnen. Es ist zur Gründung einer neuen Koalition gekommen, und zwar zu einer rechten. Bis September 2010 regierte eine linke Koalition von SMER[2] und SNS[3]. Leider ist die SNS stark nationalistisch orientiert. Die Opposition bildeten die SDKÚ-DS[4], KDH[5] und SMK[6]. Nach einem unaufhörlichen Wahlkampf ist eine neue Koalition aus SDKÚ-DS[7], KDH[8], SaS[9] und Most-Híd[10] entstanden. Diese sollte eine ruhige Atmosphäre unter Slowaken und Ungarn in der Slowakei schaffen.

Was sagt die junge Generation dazu?

Ich diesem Abschnitt geben wir einigen jungen Studenten Platz, die wir über ihre Meinungen gefragt haben.

Adrienn kommt aus der Südslowakei, aus Komárno, wo die Mehrheit der Einwohner ungarisch spricht Sie studiert in Brünn italienische Philologie. Weil sie in einer ungarischen Umgebung wohnt, trifft sie nicht so sehr mit Slowaken zusammen. Sie benutzt die offizielle staatliche Sprache vor allem in Ämtern, Geschäften, wo sie bisher keine negativen Erfahrungen hatte. „In Brünn habe ich mehrere Bekannte slowakischer Nationalität, mit denen ich gerne ausgehe“, sagte Adrienn, als ich sie über Freundschaften mit Slowaken gefragt habe. Bevor wir zur Politik gekommen sind, hat sie eine negative Erfahrung wegen ihrer Muttersprache (jetzt schon mit Lächeln im Gesicht) erzählt. Es geschah auf einer Fahrradtour, als sie in einem kleinen slowakischen Dorf eine Rast gemacht hatten, und in einem kleinen Laden etwas zum Essen kaufen wollten. Als die Verkäuferin gehört hatte, dass sie miteinander ungarisch sprechen, hat sie den Laden vor ihrer Nase geschlossen.

Adrienn politisiert nicht so sehr, aber sie verfolgt das politische Leben. „Es ist evident, dass die Äußerungen der SNS nur dazu da sind die Menschen gegeneinander aufzuhetzen. Die Most-Híd hat gerade die Zusammenarbeit und Einheit der Slowaken und Ungaren deklariert – wozu ich auch neige und was ich für einen wichtigen Schritt halte, damit die Popularität und Unterstützung der Mehrheit gegenüber der SMK gesiegt hat.“ Sie blickt hoffnungsvoll in die Zukunft, und sagt zum Schluss „für mich ist es kein Hindernis eine Ungarin außerhalb der Grenzen Ungarns zu sein, sondern eine Möglichkeit. Der Erwerb von zwei Sprachen bereichert mich. Diese fördern mich toleranter zu werden und es stärkt meine ungarische Identität. In dem Staat, wo ich lebe, wo ich geboren bin, kann mir nicht egal sein, wie die Dinge laufen.“

Unser weiterer Gesprächspartner, Fekete Ákos, ein junger Intellektueller, der Jura in der slowakischen Hauptstadt, Bratislava studiert, kommt auch aus einem ungarischen Umfeld. In seinem Dorf leben wenige Slowaken, aber gerade seine Nachbarn sind Slowaken, und eben nicht die nettesten. „Leider haben sie oft arrogante, unfreundliche, eingebildete Äußerungen und Reaktionen.“ Er hatte keine tatsächliche negative Erfahrung wegen seiner Muttersprache, „nur verbale Anmerkungen habe ich erlebt“ erzählte er, „im Stadtbus, in Bratislava“. Als wir zur Politik kamen, hat mein Gesprächspartner sofort fortgesetzt: „Die SNS ist eine rein nationalistische und radikale Partei. Meiner Meinung nach sollte in einem demokratischen Rechtsstaat die Existenz einer Partei dieser Art nicht zugelassen werden. Das Programm dieser Partei ist eindeutig auf die Verbreitung des Hasses gegen die Ungarn und Ungarn gerichtet.” Er hat auch eine kritische Stellung gegenüber der Most-Híd, anders als Adrienn. „SMK ist Stellvertreter ungarischer Interessen. In dieser Wahlperiode ist sie leider nicht mehr im Parlament. Dies ist einigermaßen auch der Most-Híd zu verdanken. Diese neue Partei ist zum Zweck der Überwindung der slowakisch-ungarischen Konflikte entstanden. Das halte ich aber für eine reine Formalität. Im Endeffekt dient diese Partei gar nicht der ungarischen Minderheit.“ Meine letzte Frage habe ich auf die Zukunft gerichtet. „Die Erlösung sehe ich in der aufwachsenden Generation. Die ist nicht mehr so stark von diesen überflüssigen Auseinandersetzungen beeinflusst. Die Mentalität der jungen Menschen, die schon von einer liberalen Auffassung geprägt ist, steht dafür, dass eine hoffnungsvolle Zukunft, ein friedliches Zusammenleben nur durch Kompromisse und Toleranz entstehen kann.”

Unsere weiteren Befragten stammen aus einer slowakischen Umgebung.

„Politik? Ich habe keine konkrete Meinung über die Politik. Ich glaube nur, dass es eine Bande von Menschen mit Hirnerschütterung ist,“ so charakterisiert Filip die slowakische Politik am Anfang unseres Gespräches. Und man kann ihm nichts vorwerfen. Dies ist die Meinung aller jungen Menschen in der Slowakischen Republik. Niemand interessiert sich für diese Szene, weil es ständig ein und dasselbe ist.

Was ist also das Problem in den Beziehungen der zwei Staaten an den Ufern der Donau? „Die älteren Generationen machen die eigentlichen Probleme,“ führte Filip fort. „Wenn du dich in der Szene so umsiehst, erkennst du, dass einige Parteimitglieder, vor allem die der SNS, einen Dachschaden haben. Ich weiß worüber ich spreche. Und die älteren Wähler geben ihre Stimmen für solche Leute ab.“ Für einen Uninformierten stellt die SNS eine radikale links-orientierte Partei dar (in der Slowakei stellen die Links-Parteien die radikale Seite der Szene dar). Slowakische nationale Partei.  Der Vorsitzende dieser „Gruppierung“ ist in diesem Lande, auch unter den Ungarisch-Sprechenden, sehr bekannt. Jan Slota ist sein Name und er ist für seine Auftritte, aber auch Kommentare berühmt. Vor allem solche, in denen auch Alkohol eine Rolle spielt.

Dominik: „Seine letzte Amtszeit war für mich das Schlimmste, was uns passieren konnte,“ sagte Dominik, brachte sich einen Stuhl mit und setzte sich zu uns.

Lukáš: „Meinst du das Nationalgesetz?“

Dominik: „Ja genau. Es hat doch keinen Zweck, wenn die Kinder in der Schule jeden Morgen die Hymne singen,“ antwortete Dominik. „dazu kommen noch die ungarischen Garden und die Regierung von Fides in Ungarn,“ fügte Filip noch hinzu.

Lukáš: „Also glaubt ihr, dass die menschlichen Beziehungen besser sind als uns die Regierung klarmachen möchte?“

Filip: „Klar sind die Beziehungen zwischen den Menschen besser,“ fing Filip an, „darüber müssen wir nicht diskutieren. Als ich noch voriges Jahr in Košice studierte, hatte ich viele Freunde die aus der Nähe der Grenze stammten. Ich verliebte mich sogar in ein Mädchen. Die Leute, die in dieser Umgebung leben, wissen worüber ich spreche. Aber solange man in die Beziehungen Politik mischt, ist alles verloren.“

Dominik: „Genau Brother,“ fügte Dominik noch hinzu.

Lukáš: „In dem Fall gefällt euch also die Rechts-Regierung in der Slowakei?“

Filip: „Alle Regierungen sind schlimmer als die vor ihnen. Aber nach der letzten Regierung von Slota, Meciar und Fico ist diese Regierung eine willkommene Abwechslung.“


[1] Die Publikation aus der Internetseite: http://blog.aktualne.centrum.sk/blogy/nos.php?itemid=750, die am 25.03.2010 erschien, und am 10.11.2010 verwendet wurde.

[2] SMER sociálna demokracia, *SMER sozialistische Partei

[3] Slovenská národná strana, *Slowakische nationale Partei

[4] Slovenská demokratická strana a kresťanská únia, *Slowakisch- demokratische Partei und christliche Union

[5] Kresťansko demokratické hnutie, *Christlich- demokratische Regung

[6] Strana maďarskej koalície, *Partei der ungarischen Koalition

[7] Slovenská demokratická strana a kresťanská únia, *Slowakisch- demokratische Partei und christliche Union

[8] Kresťansko demokratické hnutie, *Christlich- demokratische Regung

[9] Strana sloboda a solidarita, *Partei der Freiheit und Solidarität

[10] Eine gemeinsame Partei derjenigen, die Solidarität, Toleranz und Mitarbeit unter Slowaken und Ungarn fördern.

von Csilla Fugli, Lukáš Richtarčík

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